Der Ursprung der Entstehung der Chitarrone / Theorbe lag laut Alessandro Piccinini in den „re-entrant“ Stimmungsexperimenten an der Basslaute im Zirkel der Florentiner Camerata. Piccinini war nach eigenen Aussagen für die Erfindung (1594) des längs montierten Halses für das Bassregister verantwortlich. Der Entwicklungprozess der Chitarrone / Theorbe stand in direktem Zusammenhang mit der ebenfalls in der Florentiner Camerata entstandenen Monodie (zur Vokalbegleitung) und des Generalbasses (1600–1800).
Florentiner Camerata Ein Irrtum revolutioniert die Musikgeschichte.pdf
Neben ihrer Verwendung (1600–1750) in diesen Bereichen war sie eine Inspirationsquelle für viele Musiker und Komponisten. Es entstand ein bemerkenswertes Werk an Solomusik.
Der Entwicklungstyp der sich auf Grund seines klanglichen Charakters, trotz seiner Unhandlichkeit, an der Chitarrone / Theorbe durchsetzte (es gibt viele erhaltene Instrumente und Abbildungen) hatte einen großen, flachem Korpus, sehr lange einzelne oder chörige gegriffene Saiten und lange einzelne Basssaiten. Diese ermöglichten eine völlig neue Klangästhetik für die Erweiterung des Bassregister. Sie wurde nicht, wie erwartet tiefer, sondern bewusst, im Verhältnis zur Korpusgröße, hoch im „vieil ton“, vorwiegend in a und auch in g gestimmt (theoretisch wie eine Diskantlaute in a‘ oder Altlaute in g‘). Dadurch wurde die 3. Saite / Chor zum höchsten Ton mit einem Saitendurchmesser um 0,42-45mm (= minimalste Saitenstärke von Darm = ein Besaitungsprinzip der Laute). Die beiden folgenden Saiten / Chöre mussten aufgrund der begrenzten Saitenstärke von Darm eine Oktave tiefer „re-entrant / rückläufig“ gestimmt werden. Der dadurch zwei fache, um eine Oktave tiefere Diskantbereich war erwünscht (Piccinini, das Ergebnis war entzückend). Der geringere Tonumfang wurde in Kauf genommen. Die hohe Stimmung in Kombination mit den sehr langen Darmsaiten erzielte ab dem 3. Chor in Richtung der Bässe eine möglichst geringe Saitenstärke. Die bei ihrer Entwicklung gewünschte Gemengelage von einem großen, flachen Korpus mit tieferen Eigenfrequenzen, einer hohen Stimmung, sehr langen Saiten in geringer Saitenstärke mit hohem Obertonanteil führte zum klanglichen Charakteristikum der Theorbe. Mit ihrer hellen "glitzernden" Klangfarbe für eine kräftige, alle Töne gut zeichnenden und klaren Bass Wiedergabe im Zusammenspiel mit zwei um eine Oktave tiefer gestimmten einzelne oder chörige Diskantsaiten.
Hörbeispiel: Francesca Caccini 1618:
Francesca Caccini Tochter von Giulio Caccini, einer der Sprachführer der Florentiner Camerata.
Buchenberg Theorbe 1608/14 Rom, 6x2+8x1
Die Chitarrone / Theorbe hatte in ihrer Frühphase 11 bis 19 Chöre und später meist 14 Chöre. Die gegriffene Saitenlänge „petit jeu“ war an erhaltenen Instrumenten meist um 82-89cm, bis zu 100cm. Die Theorbierung der Bässe „grand jeu“ hatte eine Saitenlänge von 155-170cm, bis zu 180cm. Die Saitenlängen erhaltener Theorben stehen in einem Verhältnis von ca. 1 : 1,85-2,25.
- In Italien war sie am gegriffenen Hals oftmals doppelchörig (die Mehrzahl der mir bekannten erhaltenen Theorben), 6x2 (1+5x2), 6x1 / 8x1.
- In Frankreich sind Einzelsaiten 6x1+8x1 ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bei den großen Theorben (1650-1730) belegt, Saitenlänge um 85cm, a „re-entrant“. Dort wurde die Theorbe im Ganzen für das Solospiel verkleinert „Théorbe des pièces“ und bewußt entsprechend eine Quart höher gestimmt (ca. 1680-1730). Einzelsaiten, in d' „re-entrant“ (mit einem theoretischen d'' als erste Diskantsaite), bei einer Spielmensur um 74cm, in 392Hz, entsteht für die 3. Saite e', bei einer Saitenstärke von 0,45mm, eine Spannung von 4,00kg).
(In der Oper Alceste 1674 von Jean-Baptiste Lully wurden im Marmorhof des Schlosses von Versailles fast 60 Lautenspieler eingesetzt).
Weiter gab es noch:
- Die „English theorbo“ (ca. 1650-1710, g “re-entrant“, Spielmensur um 76-80 cm) mit durchgehender chöriger Besaitung.
- Das französisch-deutsche Modeinstrument aus der Theorbenfamilie, die „Angélique“ vorwiegend ein Amateurinstrument (ca. 1648-1730, e' „diatonisch“, Spielmensur um 68cm) mit 16 bis 17 durchgehenden Einzelsaiten
-
Die „Deutsche Theorbe“ (ab 1719, d-Moll - NAO Stimmung - ohne f', Spielmensur um 85cm) mit Fächerbebalkung, Schwanenhals um 115cm oder theorbiertem Hals um 170cm.
Bei italienischen doppelchörigen theorbierten Lauten um 76cm ist eine „re-entrant“ Stimmung nicht von nöten. Offenbar handelt es sich hierbei um das gleiche Prinzip wie bei einem Arciliuto, also in diesem Fall um eine theorbierte Basslaute?, ohne „re-entrant“-Stimmung!
Einzelsaiten um 76cm, mir ist keine eindeutig zuordenbare barocke italienische Theorbe bekannt. Die kleine französische einsaitige Theorbe (ca. 1680-1730) mit einer Saitenlänge um 74cm hat eine d' „re-entrant“ Stimmung, eine Quart höher als die große a „re-entrant“ Chitarrone / Theorbe.
Die Chitarrone / Theorbe wurde ohne oder mit Fingernägel (hellerer, härterer Klang) gespielt.
Historischen Quellen zufolge, siehe Michael Praetorius Syntagma Musicum, wurden neben Darmsaiten auch Metallsaiten verwendet.
Unter den zahlreichen erhaltenen Theorben ist mir jedoch kein Instrument mit den hierfür erforderlichen Metallbünden und der typischen Saitenbefestigung bekannt.
(Michael Praetorius 1619: " Lautten und Theorben werden jedes Jahr so oft verändert, das man noch nichts abschließendes schreiben kann").
Mit der neuen inovativen Erfindung des in Längsrichtung angesetzten Basshals mit seinen verlängerten Saiten gab es am Anfang offenbar unterschiedlichste Experimente, Syntagma Musicum: 1. Paduanische Theorba - 8 lange einzelne Saiten am Griffbrett (eine große Chitarrone / Theorbe, mehr als 85cm) mit doppelchörigen oktavierten Bässen an einem verkürztem Basshals (8x1 Griffbrett + 4x2 Bässe) oder 2. Laute mit Abzuegen oder Testudo Theorbata - mit 10 doppelsaitgen Metallsaiten (10x2).
Michael Praetorius Syntagma Musicum 1619.pdf
In originalen Quellentexten ist der Begriff der Theorbe „Tiorba“ des öfteren irreführend da damit auch eine Arciliuto oder (?) gemeint sein könnten.
Trotz ihres ähnlichen Aussehen, beide haben einen in Längsrichtung angesetzten Basshals, liegt einer Chitarrone / Theorbe ein anders Klangideal / konzept zugrunde als einer Arciliuto.
- Die um einiges größere Chitarrone / Theorbe (tiefere Eigenfrequenzen) ist ein Instrument, mit einer bewusst hergestellten, im Verhältnis zur Korpusgröße hohen Stimmung. Mit der 3. als höchster Saite / Chor, meist ein h (um 0,42-45mm). Mit einer grundsätzlichen hellen Klangfarbe. In Kombination mit zwei „re-entrant“ gestimmten einzelnen oder chörigen Saiten im Diskant.
- Eine Arciliuto ist eine chörige Altlaute in g', mit etwa der selben Korpusgröße (höhere Eigenfrequenzen). Die Anstelle von oktavierten Basssaiten mit längeren, einzelnen Bässen ausgestattet wurde. Der 3. Chor ist ein a (um 0,60mm). Sie hat im Vergleich zu einer Theorbe kürzere frei schwingende Basssaiten, dickere Saitenstärken und eine tiefere Stimmung. In Summe ergibt das im Vergleich eine dunklere Klangfarbe ab dem 3. Chor in Richtung der Bässe.
Um Haltungs- und Rückenproblemen entgegenzuwirken, habe ich eine gewichtsreduzierte Basshalskonstruktion entwickelt, die eine ausgewogene Gewichtsverteilung garantiert.
Ich empfehle einen Basshals mit maximal 162cm Saitenlänge, da die handelsüblichen Saiten eine Länge von 180cm haben. Gegen Aufpreis kann der Basshals auch als Klapphals ausgeführt werden - die Basssaiten bleiben auf Spannung. Die Klappkonstruktion erhöht das Gesamtgewicht der Halskonstruktion.
Das im Querschnitt leicht gerundete Griffbrett aus Ebenholz erleichtert die Spielbarkeit.

Originale Fichtendecken wurden meist ohne Randeinlage oder mit einem Pergament eingefassten Rand ausgeführt. Aus pragmatischen Gründen (Kantenschutz, Reparaturen im Innenraum) empfehle ich eine dezente Randeinlage.
Die Wahl des im Regelfall verwendeten Stimmtons (415Hz oder 440Hz, in Frankreich bis ca. 1700 um 392Hz, in Wien um 467Hz) ist wichtig für die Berechnung der gegriffenen Saiten. Achtung, eine Veränderung des Stimmtons hat bei gleichbleibender gegriffener Saitenlänge einen entscheidenden Einfluss auf den Saitendurchmesser bzw. die Saitenspannung. Bei 467 Hz, höchster Ton = h mit ca. 0,44mm Saitenstärke, ergibt für eine einsaitige Theorbe eine Saitenlänge von 82-84cm.
(Der für die Saitenlänge maßgebliche Stimmton variierte im 16. bis 18. Jahrhundert, je nach Ort und Zeit von ca. 370-470Hz).
Um 1660 begann die Entwicklung von offenen “demi filées“ und geschlossenen mit Metall umsponnenen Saiten mit Darmkern deren Akzeptanz auf Grund der anderen Klangästhetik zur “reinen“ Darmsaite aber nur sehr langsam vonstatten ging.
Die Entwicklung der mit Metall umsponnenen Saiten mit Seidenkern hatte ihren Beginn Mitte des 18. Jahrhunderts und setzte sich erst um 1770 durch. Umsponnene Saiten mit Seidenkern verursachen einen störenden langen Nachhall der der Musik/Komposition nicht dienlich ist.